Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Huang-He-Syndrom

Das Huang He-Syndrom beschreibt Bodendegradationen, die durch die Aufgabe ehemals nachhaltiger Landnutzung auf begünstigten Böden verursacht wird. Der Begriff ist Teil einer Klassifikation von Syndromen der Bodendegradation.

Der Huang He (Gelber Fluss, Länge 5.500 km) fließt durch das Lößplateau der Provinz Shaanxi in China. Die fruchtbaren Böden dieser Provinz gehören zu den am stärksten erodierenden Flächen der Erde. Seit geschichtlicher Zeit ist dort Bodenerosion zu beobachten, aber seit sich die traditionellen Landnutzungsmethoden wandeln, hat der Bodenverlust katastrophale Ausmaße angenommen.

Die nachhaltigen traditionellen Methoden der Landwirtschaft basieren auf einem hohen Personalaufwand. Arbeitsintensive, kleinräumige Pflegemaßnahmen, wie z.B. die Erhaltung terrassierter Hänge oder Maßnahmen gegen Winderosion werden bei veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tendenziell unrentabel. Sobald die Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen vernachlässigt werden, verstärkt sich die Erosion. Ein Ersatz der menschlichen Arbeitskraft durch Mechanisierung der Landwirtschaft erfordert hohen Kapitaleinsatz und stößt häufig aufgrund topographischer Gegebenheiten an Grenzen.

Neben der Huang He-Region finden sich weitere durch dieses Syndrom betroffene Gebiete unter anderem auf den Philippinen (Banaue), in Indonesien und auf fruchtbaren Vulkanböden im Bereich des ostafrikanischen Grabens.

Der Wandel der Landnutzung wird durch verschiedene, teilweise auch gleichzeitig wirkende Faktoren vorangetrieben. Die finanzielle Belastung der Landnutzer durch Mehrwertsteuerabschöpfung (Kapitalabfluss aus den betroffenen Regionen durch Steuern und Pacht an ortsfremde Eigentümer) ist eine Ursache. Mit der Öffnung der Subsistenzwirtschaft zum Weltmarkt lassen sich oft typische Abläufe beobachten: Zum einen passen sich die lokalen Erzeugerpreise an die niedrigen Weltmarktpreise an, wodurch dann die Rentabilität des arbeitsaufwendigen Landmanagements nicht mehr gegeben ist. Zum anderen wird durch den Übergang zu ertragsunabhängigen Steuern und Pachtzahlungen das Produktions- und Marktrisiko auf die Landnutzer abgewälzt. Durch Akkumulation von Schulden aus ertragsschwachen Jahren kann der Landnutzer in einen "Teufelskreis" von Verschuldung und Eigentumsverlust geraten und letztlich den Einfluß über seine Produktion verlieren. Die Folge ist die Zentralisierung und Kommerzialisierung des Landeigentums. Diese Entwicklungen können schließlich dazu führen, daß multinationale Agrokonzerne zunehmend Einfluss auf das Saatgut- und Düngemittelangebot, die Maschinenausstattung sowie die Verarbeitung und das Marketing gewinnen. Damit werden die traditionellen Landnutzungsformen endgültig abgelöst. Hier ist zugleich ein Übergang zum Dust Bowl-Syndrom möglich: auf Gunstböden werden infolge dieser Entwicklung mit hohem Kapitaleinsatz cash crops für den Export produziert. Die Landbevölkerung wird auf marginale Böden abgedrängt, oft mit massiven Bodendegradationsfolgen (Sahel-Syndrom).

Wesentliche Auswirkungen des Huang He-Syndroms betreffen die Hydrosphäre, da durch Erosion abgeschwemmter Boden in Flußläufen, Staubecken und auch im Meer erhebliche Schäden verursachen kann (Verschlammung, Überschwemmung, Eutrophierung der anliegenden Küstengewässer). Der Druck richtet sich auch auf die Biosphäre, denn großflächige Veränderungen in der Landnutzung stören das ökologische Gleichgewicht und führen zur Reduzierung der Biodiversität. Beispiele für atmosphärische Auswirkungen sind die vermehrte Emission von Treibhausgasen aus intensivierter Produktion (z.B. Methan aus Reisfeldern) und der mögliche regionale Klimawandel.

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