Pflanzenschutz
1. Die Gesamtheit der Maßnahmen zur Erhaltung von Wildpflanzen und ihren Biotopen. Im deutschsprachigen Raum wird dieser Aspekt als pflanzlicher Artenschutz bezeichnet.
2. Die Gesamtheit der Maßnahmen, die Schäden an Kulturpflanzen durch Krankheitserreger und andere "Schädlinge" niedrig halten oder verhindern sowie Beeinträchtigungen durch die unbelebte Umwelt abwehren. Zum Pflanzenschutz gehören sowohl vorbeugende Maßnahmen (Pflanzenhygiene), v.a. zum Schutz von Kulturpflanzen vor Schadorganismen und vor abiotischen Schäden (z.B. Witterungseinflüsse), wie auch Bekämpfungsmaßnahmen mit Pflanzenschutzmitteln und die biologische Schädlingsbekämpfung. Ferner zählt zum Pflanzenschutz auch der Vorratsschutz der Ernteerzeugnisse.
Pflanzenschutz ist ein ertrags- und qualitätssichernder Faktor im Ackerbau und in noch größerem Maße in Sonderkulturen. Globale Meta-Analysen und Expertenauswertungen schätzen den potentiellen Ertragsausfall durch Schadorganismen je nach Nutzpflanze zwischen 17 und 40 % ein. Dieser wird mit direktem chemischen, biologischen oder physikalischen Pflanzenschutz und mit indirekten vorbeugenden, systembezogenen Maßnahmen verringert.
Man kann unterscheiden:
- Mechanische Methoden
- Umzäunen gegen Fraßfeinde
- Aufstellen von Vogelscheuchen oder akustischen Geräten, von Fallen
- mechanische und thermische Unkrautbekämpfung - Biologische Methoden
- Begünstigen natürlicher Feinde von Schadinsekten, z.B. durch die Anlage von Saumbiotopen
- Einsatz räuberischer (z.B. Marienkäfer) oder parasitischer Insekten (z.B. Schlupfwespen)
- Verwendung von Mikroorganismen (z.B. parasitierende Pilze gegen bodenlebende Insekten) - Biotechnische Methoden
- Anwendung von Sexuallockstoffen und Juvenilhormonen
- Einsatz von Licht verschiedener Wellenlängen - Gentechnische Methoden
- Züchtung und Verwendung von gegen Schadeinflüsse resistente Pflanzen
- Auslösung der Immunreaktion von Pflanzen mit schwach dosiertem Erregermaterial (Resistenzinduktion) - Chemische Methoden
- Einsatz synthetischer oder natürlicher Pflanzenschutzmittel (Pestizide) oder dem von Hormonen - Acker- und pflanzenbauliche Methoden
- standortgerechte und vielseitige Fruchtfolge
- optimale und termingerechte Bodenbearbeitung und -pflege
- Verwendung von gesundem, evtl. chemisch behandeltem Saat- und Pflanzgut
- Auswahl von widerstandsfähigen, marktgerechten Sorten
- Einhaltung der optimalen Saat- und Pflanztermine
- sorgfältige Saat und Pflanzung
- Einhaltung der standortbezogenen optimalen Bestandesdichte
- bedarfsgerechte Nährstoffversorgung
- besonders Stickstoffdüngung - Anwendung von Prognosen und Prognoseverfahren
- Kontrolle der Flugzeiten von Schadorganismen, beispielsweise durch Fallen
- Empfehlung der Pflanzenschutzberatung und des Warndienstes beachten
- Witterungsverlauf beobachten und Befallsrisiko abschätzen - Nutzung des Computer Aided Farming
- precision farming unter Einsatz von GPS und GIS zur präzisen Verortung und Bekämpfung von Unkrautnestern (praxisreif)
- optoelektronische Erkennung von Unkräutern und multispektrale Ermittlung von Pflanzenkrankheiten (mittelfristig praxisreif)
Agrarexperten gehen davon aus, daß weltweit mehr als ein Drittel der Pflanzenerträge durch Schädlinge, Krankheiten, Unkräuter sowie während Transport und Lagerung unbrauchbar werden. Dies entspricht der gesamten pflanzlichen Agrarproduktion der USA. Ohne wirksame Pflanzenschutzmittel würden die weltweiten Pflanzenerträge durchschnittlich um 30 bis 60 % sinken. Gleichfalls käme es zu großen Mengenschwankungen.
Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln
Direkte und indirekte Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln werden durch eine große Zahl von wissenschaftlichen Studien in Deutschland und im europäischen Umfeld dokumentiert. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Insektizide, Fungizide, Herbizide) stellt in dem komplexen Gesamtsystem von Faktoren einen bedeutenden Einflussfaktor mit meistens signifikant negativen in Ausnahmefällen jedoch auch positiven Auswirkungen auf die Biodiversität in Agrarökosystemen dar. Pflanzenschutzmittel gelangen in und auf Pflanzen, Tiere und Böden, in die Atmosphäre sowie in Gewässer und Grundwasser; sie entfalten ihre schädlichen Nebenwirkungen in kurzen, aber auch sehr langen Zeiträumen. Sie können direkte toxische Wirkungen auf Nichtzielorganismen hervorrufen und indirekt Nahrung und Lebensräume einer Vielzahl von Organismen reduzieren. Hinzu kommen kumulative und sequenzielle Wirkungen, da Pflanzenschutzmittel häufig gemeinsam angewandt werden und eine kombinierte Wirkung von Umweltstressoren und Pflanzenschutzmitteln insbesondere bei Anwendung im Freiland relevant wird.
Unter den vielen Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln ist diejenige auf die Biodiversität eine schwer zu fassende. Die derzeitige intensive, betriebswirtschaftlich optimierte und international wettbe-werbsfähige Landwirtschaft verändert multikausal die Landschafts- und Lebensräume, reduziert die Vielfalt der natürlichen Habitate und Agrarökosysteme, und wirkt sich damit negativ auf die Biodiversität vieler Artengruppen aus. Zudem beeinflusst auch der Klimawandel die Biodiversität in der Agrarlandschaft negativ.
Der Wissenschaftliche Beirat des Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) schlägt folgende Maßnahmen für einen zukunftsfähigen Pflanzenschutz vor:
- Die weitere Entwicklung der Biodiversität soll durch die Einführung eines repräsentativen, umfassenden und auf die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln ausgerichtetes Langzeit-Biodiversitäts-Monitorings standardisiert beurteilt werden.
- Das Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln soll auf mögliche Lücken bei der Beurteilung von Wirkungen auf die Biodiversität auf der Basis des neuesten Wissensstands überprüft werden, und diese Erkenntnisse sollen in die Novellierung des europäischen Zulassungsrechtes eingebracht werden.
- Es sollen positive und negative Anreize für die landwirtschaftliche Praxis geschaffen werden, um die Anwendung von Pflanzenschutzmittel in der Praxis zu reduzieren. Dazu soll auch eine Abgabe auf Pflanzenschutzmitteln geprüft werden, und mittelfristig soll ein wissenschaftlich basiertes System der Internalisierung der Umweltkosten (True Cost Accounting) vorgeschlagen werden.
- Integrierte Pflanzenschutzverfahren sollen durch Forschung und Beratung weiter gestärkt, in der Züchtung soll ein Schwerpunkt auf Schaderreger-tolerante oder -resistente Sorten gelegt werden.
- Die Rahmenbedingungen für den Ökologischen Landbau sollen weiter verbessert werden, um das Ziel der Bundesregierung, seinen Flächenanteil auf 20 % auszudehnen, möglichst schnell zu erreichen.
- Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Agrarumweltmaßnahmen (ELER) sollen in deutlich größerem Umfang als bisher vielfältige Landschaftselemente, Habitate und in die Produktionsfläche integrierte ökologische Vorzugsflächen und Pufferzonen gefördert werden.
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