Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (2023)
Die Ziele der 1962 eingeführte gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Vor dem Hintergrund von Unterversorgung und Hunger in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren, dem hohen Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den Haushalten und den ausgeprägten strukturellen Einkommensproblemen in der Landwirtschaft kam der Ernährungssicherung und der Produktivitätssteigerung in den 1960er Jahren große Bedeutung zu. Zur Regelung der Agrarmärkte wurden Marktordnungen geschaffen, was ein "grundlegender Konstruktionsfehler" war: Durch Marktordnungen für landwirtschaftliche Produkte sollten die Preise angehoben, die Landwirte geschützt und deren Einkommen verbessert werden. Kennzeichnend für die meisten Marktordnungen waren ein hoher Außenschutz, Mindesterzeugerpreise (die über dem Weltmarktpreis lagen) und staatliche Aufkäufe zur Preisstützung (Interventionssystem) sowie Exportsubventionen, um Überschüsse auf dem Weltmarkt absetzen zu können.
"Milchseen", "Butter-" und "Getreideberge" sind Metaphern, welche die Öffentlichkeit in den späten 1970er und den 1980er Jahren mit der Agrarpolitik verband, ebenso wie ausufernde Agrarausgaben und subventionierte Agrarexporte mit negativen Auswirkungen auf die Erzeuger in Entwicklungsländern. In den 1980er Jahren wurden von der Gesellschaft zunehmend negative ökologische Auswirkungen der Intensivierung und regionalen Spezialisierung der Landwirtschaft wahrgenommen.
Mehrere Reformen bereiteten den Weg zur Reform der GAP in en zwanziger Jahren. Heute sieht man in der GAP eine Partnerschaft zwischen der Landwirtschaft und der Gesellschaft, zwischen Europa und seinen Landwirten.
Die aktuellen Ziele der GAP 2023 sind:
- Landwirtinnen und Landwirte unterstützen und die Produktivität in der Landwirtschaft verbessern, um eine sichere Versorgung mit bezahlbaren Nahrungsmitteln zu gewährleisten;
- den Landwirten der Europäischen Union ein angemessenes Einkommen ermöglichen;
- zur Bekämpfung des Klimawandels und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen beitragen;
- ländliche Gebiete und Landschaften in der EU erhalten;
- die Wirtschaft im ländlichen Raum durch Förderung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, der Agrar- und Ernährungswirtschaft und in den damit verbundenen Branchen beleben.
Die GAP ist eine gemeinsame Politik für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie wird aus den Mitteln des EU-Haushalts auf europäischer Ebene finanziert und verwaltet.
Um die europäische Landwirtschaft auf die Zukunft auszurichten, hat sich die GAP im Laufe der Jahre an den Wandel der wirtschaftlichen Gegebenheiten und der Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger angepasst.
Die CAP 2023–2027 trat am 1. Januar 2023 in Kraft. Die Unterstützung für Landwirte und Interessenträger im ländlichen Raum in den 27 EU-Ländern beruht auf dem Rechtsrahmen für die GAP 2023–2027 und den in den von der Kommission genehmigten GAP-Strategieplänen aufgeführten Optionen. Die genehmigten Pläne sollen einen wesentlichen Beitrag zu den Zielen des europäischen Grünen Deals, der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und der Biodiversitätsstrategie leisten.
Die GAP in der Praxis
Die Landwirtschaft kann man nicht mit anderen Wirtschaftszweigen vergleichen, da sie besonderen Bedingungen unterliegt:
- Trotz der Bedeutung der Lebensmittelerzeugung sind die Einkommen der Landwirte im Vergleich zu Einkommen aus nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeiten rund 40 % niedriger.
- Die Landwirtschaft hängt stärker von der Witterung und dem Klima ab als andere Wirtschaftszweige.
- Zwischen der Nachfrage der Verbraucher und der Lieferung durch die Landwirte vergeht unweigerlich eine gewisse Zeit – Weizen oder Milch können nicht über Nacht erzeugt werden.
Landwirte sollen nicht nur kosteneffizient arbeiten, sondern auch nachhaltig. Gleichzeitig sollen sie unsere Böden und unsere Artenvielfalt erhalten.
Unternehmerische Unsicherheiten und die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt rechtfertigen die wichtige Rolle, die der öffentliche Sektor für die Landwirte spielt. Die GAP setzt folgende Maßnahmen ein:
- Die Einkommensunterstützung durch Direktzahlungen gewährleistet ein stabiles Einkommen für die Landwirte und entlohnt sie für eine umweltfreundliche Landwirtschaft und die Bereitstellung öffentlicher Güter wie beispielsweise Landschaftspflege, die von den Märkten normalerweise nicht vergütet werden.
- Durch Marktmaßnahmen sollen schwierige Marktsituationen ausgeglichen werden, zum Beispiel ein plötzlicher Nachfragerückgang aufgrund einer Gesundheitswarnung oder ein Preisrückgang infolge eines zeitweiligen Überangebots.
- Über nationale und regionale Programme werden Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums durchgeführt, um den besonderen Bedürfnissen und Herausforderungen des ländlichen Raums gerecht zu werden.
Was ist in der GAP ab 2023 neu?
Mit der reformierten GAP sollen
- kleinere landwirtschaftliche Betriebe gezielter unterstützt,
- der Beitrag der Landwirtschaft zu den Umwelt- und Klimazielen der EU gestärkt und
- den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität zur Anpassung der Maßnahmen an die lokalen Gegebenheiten eingeräumt werden.
Die wichtigsten Elemente der Politik sind:
- eine neue grüne Architektur auf der Grundlage von Umweltstandards, die Landwirtinnen und Landwirte einhalten müssen, sowie zusätzlicher freiwilliger Maßnahmen
- gezieltere Interventionen in Form von Direktzahlungen und Interventionen zur Entwicklung des ländlichen Raums, die beide einer strategischen Planung unterliegen
- ein leistungsbasierter Ansatz, bei dem die Mitgliedstaaten die von ihnen erzielten Ergebnisse jedes Jahr melden müssen
Fairere Verteilung der Zahlungen
Um Stabilität und Planungssicherheit zu gewährleisten, bleibt die Einkommensstützung ein wesentlicher Bestandteil der GAP. Dabei gibt es unter anderem folgende Änderungen:
- Die EU-Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass alle Zahlungsansprüche bis 2027 einen Wert von mindestens 85 % des nationalen Durchschnitts in der EU erreichen.
- Für alle Länder, deren Direktzahlungen pro Hektar unter 90 % des EU-Durchschnitts betragen, wird dieser Abstand bis 2027 um die Hälfte verringert.
- Die Mitgliedstaaten werden die Direktzahlungen pro Landwirtin bzw. Landwirt ab 60 000 € pro Jahr um bis zu 85 % kürzen und bei 100 000 € pro Jahr kappen dürfen.
- Die Mitgliedstaaten müssen mindestens 10 % ihrer Zuweisungen für Direktzahlungen von größeren zu kleineren und/oder mittleren landwirtschaftlichen Betrieben umverteilen, außer sie ziehen es vor, dem Umverteilungsbedarf auf andere Weise nachzukommen, und können nachweisen, dass diesem Bedarf ausreichend nachgekommen wird.
Die Vorteile der GAP
Die GAP schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Landwirte ihre Aufgaben in der Gesellschaft erfüllen Dazu gehören:
Lebensmittelerzeugung
- Es gibt rund 10 Millionen landwirtschaftliche Betriebe in der EU, und 22 Millionen Menschen arbeiten regelmäßig in diesem Sektor. Sie liefern uns – in beeindruckender Vielfalt und ausreichender Menge – erschwingliche, unbedenkliche und hochwertige Erzeugnisse.
- Die EU ist weltweit bekannt für ihre Lebensmittel und ihre kulinarischen Traditionen. Sie ist einer der führenden Erzeuger und Nettoexporteure von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen. Aufgrund ihrer außergewöhnlichen landwirtschaftlichen Ressourcen könnte und sollte die EU eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, die Ernährungssicherheit der ganzen Welt zu gewährleisten.
Entwicklung des ländlichen Raums
- Unser ländlicher Raum verfügt über reiche natürliche Ressourcen, und viele Arbeitsplätze stehen im Zusammenhang mit der Landwirtschaft. Landwirte brauchen Maschinen, Gebäude, Treibstoff, Düngemittel und eine Gesundheitsversorgung für ihre Tiere – bereitgestellt durch die sogenannten vorgelagerten Branchen.
- Doch auch die nachgelagerten Branchen wie Vorbereitung, Verarbeitung und Verpackung von Lebensmitteln oder Lagerung, Transport und Einzelhandel schaffen Arbeitsplätze auf dem Land. Insgesamt stehen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie in der EU für fast 40 Millionen Arbeitsplätze.
- Landwirte und die vor- und nachgelagerten Branchen benötigen Zugang zu den neuesten Informationen über Fragen zu Landwirtschaft, Bewirtschaftungsmethoden und Marktentwicklungen, um effizient, modern und produktiv zu bleiben. Während des Zeitraums 2014–2020 erhielten im Rahmen der GAP 18 Millionen Bewohner ländlicher Räume Zugang zu Hochgeschwindigkeitstechnologien, verbesserten Internetdiensten und Infrastrukturen – das entspricht 6,4 % der ländlichen Bevölkerung der EU.
Umweltverträgliche Bewirtschaftungsmethoden
- Landwirte stehen vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen Nahrungsmittel erzeugen und gleichzeitig die Natur und die Artenvielfalt schützen. Die umsichtige Nutzung natürlicher Ressourcen ist unerlässlich für die Nahrungsmittelerzeugung und für unsere Lebensqualität – heute, morgen und für künftige Generationen.
Weitere Informationen:
- Gemeinsame Agrarpolitik (Europäischer Rat)
- Die Instrumente der GAP und ihre Reformen (Europäisches Parlament)
- Die Gemeinsame Agrarpolitik auf einen Blick (Europäische Kommission)
- Landwirtschaft (APuZ 5-6/2010)