Agrarrevolution
Im Allgemeinen die Bezeichnung für eine Umwälzung der bisher bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen. Eine solche Entwicklung geht oft mit einer Veränderung der agrarwirtschaftlichen, politischen und technologischen Verhältnisse einher, die gegebenenfalls von einer Umschichtung der Besitzverhältnisse begleitet wird. Häufig werden historisch drei Revolutionen identifiziert, z. B. von Kreutzmann (2006):
- Übergang von der Jagd- und Sammelwirtschaft zum sesshaften Ackerbau (vor 9.000 bis 10.000 Jahren)
- Übergang von der Selbst- zur Marktversorgung (ab dem 17. Jh. in England)
- industrialisierte Landwirtschaft mit zunehmender Kapitalintensität, Spezialisierung der Betriebe, konsequenter Nutzung der Agrartechnologie, Freisetzung von Arbeitskräften, Einsatz von Maschinen, Ausbildung agroindustrieller Unternehmen
Bei differenzierterer Betrachtung lassen sich aber noch weitere Prozesse ausmachen, die zu wesentlichen Umstrukturierungen in der Agrarwirtschaft führten:
- Die Neolithische Revolution (ca. 10.000 v. Chr.) mit dem Übergang von der Jagd- und Sammelwirtschaft zum sesshaften Ackerbau und Viehhaltung.
- Die Einführung der Dreifelderwirtschaft im mittelalterlichen Europa ab dem 8. Jahrhundert, flächendeckend verbreitet im Hochmittelalter und ausgehend von karolingischen Klöstern.
- Der Übergang von der Selbst- zur Marktversorgung (ab dem 17. Jh. in England, auf dem Kontinent ab der 2. Hälfte des 18. Jh. einsetzend), Merkmale u. a.: die Auflösung der kollektiv getragenen Dreizelgenwirtschaft, eine erweiterte Fruchtwechselwirtschaft und eine stärkere Integration von Viehwirtschaft und Ackerbau; Kartoffeln und Futterklee wurden in die Fruchtfolge eingebaut. Allmählich wurden Brache und Allmende der intensiven Nutzung zugeführt, und die Flächenerträge stiegen generell. Begleitende gesellschaftliche Prozesse waren Urbanisierung durch arbeitslose Landarbeiter, dadurch Unterstützung für den nachfolgenden und später auch simultanen Industrialisierungsprozess, zunehmende Privatisierung und Einhegung des Gemeinlandes, Bauernbefreiung.
- Die Mechanisierung der Landwirtschaft und der Einsatz von Kunstdünger ab der zweiten Hälfte des 19. Jh.
- Die Enteignung der sowjetischen Großgrundbesitzer im Laufe der Oktoberrevolution (Dekret über Grund und Boden) und nachfolgend gleichartige Umwälzungen in anderen sozialistischen Staaten.
- Die um die Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzenden Innovationsschübe im Agrarsektor (neue Agrarchemikalien, Züchtungen, Biotechnologie, verstärkte Mechanisierung) verbunden mit enormen Produktionssteigerungen.
- Die Entstehung von Agribusiness-Strukturen ab der Mitte des 20. Jh. (Ausbildung von sektoralen und räumlichen Konzentrationen, Kapitalisierung der Agrarwirtschaft, Internationalisierung der Landwirtschaft, standardisierte Massenproduktion, Herausbildung vertikal integrierter agrarindustrieller Unternehmen).
- Die Digitalisierung der Landwirtschaft mit Automatisierung und satellitengestützten Systemen ab ca. 2000 (Landwirtschaft 4.0).