Herbizidresistenz
Gentechnisch gezielt manipulierte Eigenschaft von Kulturpflanzen gegen einen neuen Typ von nicht-selektiven (NSH), wirtschaftlich interessanteren und angeblich ökologisch günstigeren Herbiziden unempfindlich zu sein (z.B. "Basta" oder "Roundup"). Man verspricht sich von der HR-Technik eine genauere Anwendung der Herbizide gegen konkurrierende Wildkräuter, da sie erst dann ausgebracht werden müssen, wenn diese Unkräuter zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Kulturpflanzen zu werden drohen. Die bodenschützende Wirkung der Ackerkräuter bleibt so länger gewährleistet. Außerdem erspart ein Breitbandherbizid das Ausbringen von mehreren Herbiziden gegen ein jeweils kleines Spektrum von unerwünschten Wildkrautarten. Bei den derzeit kommerziell genutzten gentechnisch veränderten Pflanzen ist Herbizidresistenz das bei weitem dominierende Merkmal.
Die meisten in der konventionellen Landwirtschaft verwendeten Herbizide sind „selektiv“: Sie zerstören nur bestimmte Pflanzenarten. Für jede Kulturpflanze und die jeweiligen Begleitkräuter muss eine geeignete Kombination von Herbizidwirkstoffen gefunden werden.
Freisetzungsversuche mit der HR-Technik betreffen in Deutschland Zuckerrüben, Raps und vor allem Mais. Mit transgenem Mais erhofft man sich einen umweltverträglicheren Anbau: Mais reagiert insbesondere im Frühsommer sehr empfindlich auf Konkurrenz durch Unkräuter, die Kultur muß daher bislang sehr früh und über lange Zeit mit Herbiziden behandelt werden. Der so erreichte geringe Bedeckungsgrad des Bodens führt im Frühsommer häufig zu großen Erosionsproblemen. Durch die sogenannte Mulchsaat von Mais kann dieser Nachteil erheblich verringert werden. Dabei wird der Mais in eine Bodenoberfläche eingesät, die von lebenden oder bereits abgestorbenem Pflanzenmaterial bedeckt ist. Diese "Bodendecker" können bereits im Herbst eingesät werden und schützen den Boden auch während der Wintermonate vor Bodenerosion. Derartige Mulchsaatsysteme sind bislang mit Mehrkosten und Ertragseinbußen verbunden. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Begrünung zur Konkurrenz für Mais wird, erfolgt der Basta-Einsatz.
Herbizidresistenz erleichtert auch die Einführung der bodenschonenden Bodenbearbeitung mit Direktsaat, bei der das u.a. der Unkrautbekämpfung dienende Pflügen entfällt.
Neben dem Erosionsschutz erwarten die Befürworter der HR-Technik auch eine Reduzierung der ausgebrachten Herbizidmengen, da deren Einsatz nicht mehr prophylaktisch, sondern gezielt erfolgen kann.
Positionen zur Beurteilung der HR-/NSH-Technik:
- Das Verhalten der vielseitig wirkenden Herbizide im Boden sei dem selektiver Herbizide vergleichbar.
- Die Verlagerung der Stoffe ins Grundwasser, ähnlich wie früher beim Atrazin, läßt sich bei bestimmten durchlässigen Böden nicht ausschließen.
- Möglichkeit der Herbizidanwendung auch bei naher Verwandtschaft zwischen Kulturpflanze und Unkraut
- Gleiches Herbizid für mehrere Kulturpflanzen verwendbar
- Basta wird im Boden und in den Pflanzen rasch abgebaut, doch ist das Umwandlungsprodukt langlebig.
- Die (toxikologischen) Wirkungen von NSH für Boden, Pflanzen, Mikroorganismen und Menschen sind kaum erforscht.
- Ein Transfer der Fremdgene auf Wildpflanzen und andere Kulturpflanzen ist nicht auszuschließen (Entstehung von schwer bekämpfbaren Unkrautformen).
- Die Beurteilung der Gefährdung durch diesen Transfer ist kontrovers.
- Mit Veränderungen der Grundstrukturen der mit NSH behandelten Agrophyzönosen wird gerechnet.
- Für die Destruenten sind indirekte Wirkungen über die Veränderung des Nahrungsangebotes (temporäres Überangebot bzw. plötzlich auftretende Verknappung) wahrscheinlich.
- Befürworter erwarten eine Reduzierung der ausgebrachten Herbizidmengen, da deren Einsatz nicht mehr prophylaktisch, sondern gezielt erfolgen kann.
- Gegner befürchten das Gegenteil, insbesondere dann, wenn Transgene über Pollen durch Einkreuzen in verwandte Wildkräuter übertragen werden. Ist ein Teil der Unkrautflora mit Basta nicht mehr zu bekämpfen, müssen zusätzlich weitere Herbizide eingesetzt werden.
- Mit dem Transfer der eingefügten Gene werden auch Markierungsgene übertragen, bei denen es sich meist um Antibiotikaresistenzgene handelt, die auch von einzelnen Bakterien, etwa der menschlichen Darmflora aufgenommen werden. Eine Resistenz des menschlichen Körpers gegenüber medizinisch genutzten Antibiotika wäre die Folge.
- Konzepte wie die HR-Technik führen zu einer Konzentration von Agrarchemikalien-Produktion und Saatguterzeugung bei wenigen Firmen (bessere Abstimmung der einzelnen Komponenten aufeinander und Verkauf als Input-Paket).
- Da NSH die bei selektiven Herbiziden vorhandenen Wirkungslücken schließen, werden die Absatzchancen (und damit das Innovationspotential) von mechanischen Instrumenten der Unkrautbekämpfung beeinträchtigt.
- Landwirte befürchten, voll in die Abhängigkeit von großen (Chemie-)Konzernen zu geraten.
- Mittelständische Saatgutzüchter befürchten, daß sie bei den kostenaufwendigen gentechnischen Entwicklungen nicht mithalten können.
- Die externen Kosten der HR-Technik sind weitgehend ungeklärt.
- Ungelöste ethische Fragestellungen, z.B.: Kann es bei der Anwendung der HR-Technik auf Kulturpflanzen zu einem vertretbaren Einklang zwischen der Selbstzwecklichkeit der Natur und den menschlichen Nutzungsabsichten kommen?