ländliche Siedlungsform
Darunter versteht man die aus der (Gesamt-)Größe, der Grundrissform von Hofreiten, Straßen, Wegen, Plätzen, Freiflächen und Gärten (zentrales Kriterium), der Anzahl der jeweiligen Elemente, gegebenenfalls vorhandenen Befestigungsanlagen, Zäunen u.ä. sowie der Bebauungsdichte resultierende Siedlungsgestalt. Aufriss und Form der Gebäude finden trotz ihrer Aussagekraft für die Siedlungsentwicklung i.d.R. keine Beachtung, ebensowenig die Flurform. Beides gehört jedoch zu einer Gesamtbetrachtung und Analyse des Siedlungsbildes.
Als Kriterien gelten üblicherweise:
- Anordnung der Grundstücksparzellen zueinander
- Anordnung der Grundstücksparzellen zu bestimmten Leitlinien (Straße, Weg, Bach) oder Flächen (Platz, Anger, Kirchhof)
- Form der Grundstücksparzellen
- Unterscheidung nach Gruppen- und Einzelsiedlung
- Regellosigkeit, Regelhaftigkeit (Ausrichtung der - evtl. auch ähnlich gestalteten - Hofgrundstücke auf Leitlinien), Schemahaftigkeit (geometrische Gestalt zusätzlich zur Regelhaftigkeit)
Die Grundrissform ist das Ergebnis planender Gestaltung (regelmäßiger Grundriss) oder spontaner Entstehung und Entwicklung (unregelmäßiger Grundriss), wobei beide Prozesse wechselhaft sich ablösen können. In Mitteleuropa lassen sich Alt- und Jungsiedelräume mit jeweils typischen Merkmalskombinationen unterscheiden.
Nach Art der Anordnung der Behausungsstätten in Verbindung mit den Freiflächen werden von Lienau (1995) folgende Grundformen unterschieden:
Lineare Siedlung (Linearsiedlung)
Linear heißt, daß die Haus- und Hofstätten reihenförmig angeordnet sind. Es können eine oder zwei parallele Reihen vorliegen. Zeilen sind geradlinige, kurze und dichte Reihen. Bei allen linearen Siedlungsformen muß der Verlauf der die Siedlungsachse bildenden Linie keineswegs geradlinig sein. Sie erhalten regelhaften oder schematischen Charakter aufgrund gleicher Merkmale in Form, Größe und Abstand der Hofreiten und Hausgärten sowie der formalen Gestaltung der äußeren Wohnplatzbegrenzung. Oft folgen die Siedlungen natürlichen Leitlinien wie Tälern, Flußläufen oder Terrassenrändern.
Lineare Siedlungen in außereuropäischen Räumen gehen z.T. auf das europäische Vorbild zurück, so die Flußhufensiedlungen der französischen Kolonisten am St. Lorenz und am Mississippi.
Für die nach Form, Funktion und Genese unterschiedlichen Typen von Linearsiedlungen bestehen u.a. folgende Begriffe: Reihendorf (-weiler), Waldhufendorf, Marschhufendorf, Hagenhufendorf, Radial(wald)hufendorf, Moorhufendorf, Fehnsiedlung, Straßendorf, Gassendorf, Sackgassendorf.
Platzbestimmte (polare) Siedlung (Platzsiedlung)
Platzsiedlung ist der Oberbegriff für alle Siedlungstypen, bei denen ein Platz (Anger) das zentrale Grundrißelement bildet, und um das herum die Behausungen angeordnet sind. Die zentrale, in Gemeinbesitz befindliche Fläche dient den unterschiedlichsten Zwecken (Schauplatz für öffentliches Leben, Kirche, Schule, Löschteich, Allmendweide). Ihre Form kann rund, oval, rechteckig, quadratisch oder schmal und langgestreckt sein. Platzsiedlungen sind gewöhnlich planmäßig angelegt. In der Regel besitzen Platzsiedlungen eine Gemengeflur. Zum Typus Platzsiedlung gehören u.a.: Rundling, Angerdorf, Fortadorf, runde Krale afrikanischer Nomaden. Polar und locker verbaut ist der unregelmäßige Drubbel in der norddeeutschen Geest.
Siedlung mit flächigem Grundriss
(mit unregelmäßigem Grundriss: Haufensiedlung - mit regelmäßigem Grundriss: geregelte Straßennetzanlage)
Das unregelmäßig-flächige Haufendorf ist der häufigste Formentyp überhaupt. Die Straßen- oder Wegeführung kann sternförmig, verschlungen unregelmäßig, sackgassenförmig oder andersförmig sein. Block- oder/und Streifengemengeflur sind typisch. Eine spontane Entstehung und gewachsene Entwicklung kennzeichnet diesen Typus. Zu ihm gehören: Etterdorf, Gewanndorf, Wegedorf, Zellenhaufendorf, Siedlungen ohne eigene Bezeichnung, wie die orientalischen Haufendörfer (Sackgassen, unregelmäßige kleine Plätze) oder die chinesischen und japanischen Haufendörfer (zentrifugale Wegenetze).
Typischer Vertreter flächiger Siedlungen mit regelmäßigem Wege- oder Straßennetz ist die Schachbrettsiedlung. Variationen sind häufig. Verbreitungsräume sind die Neue Welt, in Europa mit flächenhaftem Auftreten nur in jungen Kolonialgebieten (Banat), sonst vielfach nach Wiederaufbau eines durch Krieg oder Brand zerstörten älteren Dorfes.
Zwischen den Grundrisstypen linear, polar und flächig bestehen zahlreiche Übergänge und Kombinationsformen, die insbesondere durch spätere Überprägung entstanden. Seit dem 19 Jh. erfährt dieses Formengefüge bedeutende Veränderungen. Die traditionellen Formen ländlicher Siedlungen werden als Folge des Bevölkerungswachstums durch meist regelmäßig angelegte Wachstumsspitzen und -ringe erweitert, städtische Haustypen verdrängen bäuerliche Gebäudeformen, letztere erfahren partielle oder totale Funktionswandel. Diese Prozesse vollziehen sich verstärkt im Stadtumland.