Bodenversauerung
Vorgang der allmählichen Erhöhung der H-Ionen-Konzentration in der Bodenlösung. Die Bodenversauerung kann unter natürlichen Bedingungen in humiden Klimaten erfolgen durch die Auswaschung basischer Stoffe (Na, K, Ca, Mg), durch Kohlendioxidabgabe der Pflanzenwurzeln und Bodenlebewesen (Bildung von H2C2), durch H-Ionen-Abgabe von Pflanzenwurzeln im Austausch mit Nährstoffionen, durch Säureausscheidungen von Mikroorganismen und Pilzen oder durch Oxidation reduzierter Schwefel- und Stickstoffverbindungen.
Eine (zusätzliche) anthropogene Bodenversauerung kommt zustande durch
- die Anwendung von ammonium- oder harnstoffhaltigen Düngemitteln
- die biologische Stickstoff-Fixierung
- den Nährstoffentzug durch die Kulturpflanzen
- saure Niederschläge, die mit Schwefeldioxid und Stickoxiden (Industrie, Verkehr) oder NH4+ (Massentierhaltung) belastet sind.
Bei guten Puffereigenschaften des Bodens gegenüber Säuren, also bei nennenswerten Carbonatgehalten, spielt die Bodenversauerung keine Rolle, wohl aber bei Böden mit niedriger Basensättigung und niedriger Kationen-Austauschkapazität.
Stärkere Kalkverluste des Bodens durch starke Säureneinträge bewirken strukturelle Veränderungen. Besonders in Böden mit hohem Tongehalt verlieren die aus feinsten Teilchen gebildeten gröberen Bodenpartikel (Ton-Humus-Kolloide) ihre Stabilität. Sie zerfallen in kleinere Partikel, die die noch vorhandenen, gröberen Poren verstopfen. Der Boden verschlämmt, wird dichter, luftärmer, wasserundurchlässiger und kann dadurch schneller der Erosion anheimfallen.
In kalkfreien Böden besetzen die von Säuren freigesetzten Protonen die Bindungsorte für Metallionen an Tonmineralen und an Humuspartikeln. Die Sorptions- und Austauschkapazität ist nicht mehr gegeben. Durch Düngung zugeführte Nährstoffe können nicht mehr festgehalten werden.
Durch das gestörte Ionenmilieu im Boden kann es zu Fehlversorgungen der Pflanzen mit Nährstoffen und zu Störungen im Wasserhaushalt kommen.
Starke Säuren lösen aus Silikaten Metallionen heraus, die Silikate verwittern. Bei pH-Werten unter 4 werden auch Al-Ionen freigesetzt, die gegenüber Pflanzenwurzeln und Bodentieren hochtoxisch sind. Schwermetalle (Zn, Mn, Ni, Co) können bei diesem ph-Wert verstärkt ausgewaschen werden und das Trinkwasser belasten.
Hauptwirkungen der Bodenversauerung auf Pflanzen
- Schlechtere Nährstoffversorgung; Ca2+, Mg2+ und andere Kationen gehen mit dem Sickerwasser verloren; N, P und S bleiben länger im organischen Material des Bodens festgelegt.
- Erhöhte, toxisch wirkende Konzentration von Metallionen in der Bodenlösung, vor allem von Al-, aber auch von Mn-, Cr-, Cu-, Ni-, und Zn-Ionen.
- Verminderte Phosphat- und Molybdataufnahme
- Die Pflanzen nehmen Stickstoff als NH4 statt als NO3 auf, weil die Nitrifikation gehemmt ist.
- Die Stickstoff-Fixierung der Leguminosen wird in den meisten Fällen gemindert.
Wo die ökologischen Belastungsgrenzen liegen, kann mit den Konzepten der "critical loads" (Kritische Eintragsraten) und "critical levels" (Kritische Konzentrationen) abgeschätzt werden. In der Luftreinhaltepolitik sollen die critical loads/levels dabei helfen festzulegen, wie weit die Schadstoffemissionen reduziert werden müssen.
Die Bodenversauerung als Folge atmosphärischen Säureeintrags gilt als ein wichtiger Faktor für die Entstehung der neuartigen Waldschäden. Vergleichbare Bodenschäden sind im Landbau bislang nicht bekannt geworden, weil der hier zum Teil geringere Säureeintrag und die bedeutsamere systeminterne Säureproduktion durch Kalkung bzw. physiologisch-alkalische Düngung ausgeglichen wird.
Ein weiterer Schadensaspekt der immissionsbedingten Bodenversauerung betrifft die Archäologie. Korrosionsschäden an metallischen und Strukturschäden an keramischen Bodenfunden haben in den letzten Jahrzehnten drastisch zugenommen.