Betriebsgröße
Üblicherweise wird die Betriebsgröße nach dem Umfang der bewirtschafteten Fläche angegeben, weil sie ein quantitativ eindeutiges Maß darstellt und weltweit statistisch erfasst ist. Allerdings besteht in der landwirtschaftlichen Betriebslehre kein allgemeingültiger Begriffsinhalt für die Betriebsgröße. Es ist vielmehr erforderlich in Abhängigkeit von der Art des zu lösenden Problems einen geeigneten Maßstab zur Größenmessung festzulegen. Als optimale Größe eines Betriebes gilt aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel jene, bei der der Gewinn (bzw. die Gewinnkapazität) des betreffenden Betriebes den maximalen Umfang erlangt hat.
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Eine geringe Aussagekraft für die Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes besitzt der jeweilige Arbeitskräftebesatz. Würde man die Betriebsgröße an der Zahl der eingesetzten Arbeitskräfte messen, so müssten beispielsweise die heute in den USA realisierten durchschnittlichen Betriebsgrößen als relativ klein bezeichnet werden.
Der Nutzflächenumfang als Maßstab des Mengeneinsatzes von Produktionsfaktoren in einem landwirtschaftlichen Betrieb ist ebenfalls problematisch geworden, seit sich die Abhängigkeit zwischen der Flächenausstattung und der Ausstattung mit anderen Produktionsfaktoren im Verlaufe des wirtschaftlichen Wachstums, der Spezialisierung und der technologischen Entwicklungen zunehmend gelockert hat.
Deutschland
Die Art des technischen Fortschrittes hat in Deutschland einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Betriebsgrößen bzw. die Agrarstruktur gehabt. Da während der Industrialisierungsphase der landwirtschaftliche Fortschritt mit zunehmendem Arbeitseinsatz pro Flächeneinheit verbunden war, sanken bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg tendenziell die durchschnittlichen Betriebsgrößen. Der schon hohe Anteil der Betriebe unter 20 Hektar an der gesamten Nutzfläche nahm zwischen 1882 und 1925 sogar noch zu, von 58,3 Prozent auf 65,7 Prozent (alte Bundesländer), während alle anderen Betriebsgrößen Anteile verloren. Zwischen 1925 und 1939 stagnierte der Agrarstrukturwandel bei minimalen Flächenzugewinnen der Betriebe zwischen 10 und 50 ha. Nach 1949 verstärkte sich diese Tendenz in der Bundesrepublik, während in der DDR die Zwangskollektivierung zu großbetrieblichen Agrarstrukturen führte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann der technische Fortschritt spürbar Druck auf Klein- und später Mittelbetriebe auszuüben. Nach 1970 gewann der Strukturwandel in der Bundesrepublik deutlich an Fahrt und beschleunigte sich nach 1990 noch einmal vor allem zugunsten der Betriebe über 100 Hektar. In den alten Bundesländern bearbeiteten 2007 Betriebe über 50 Hektar fast 64 Prozent der Nutzfläche, während dies 1970 nur 12,5 Prozent gewesen waren. Der Anteil der Betriebe von unter 20 Hektar sank im gleichen Zeitraum von 51,4 Prozent auf 13,2 Prozent. In den neuen Bundesländern haben sich die großbetrieblichen Agrarstrukturen nach der Wende im Wettbewerb halten können und Betriebe über 100 Hektar kontrollieren gegenwärtig 93 Prozent der Nutzfläche. (Kopsidis 2015)

Quelle: Kopsidis, ECONSTOR 2015
1995 lag die Durchschnittsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe auf der Fläche des früheren Bundesgebietes bei 22,3 ha. Dies entspricht einer Aufstockung um 34,7 % gegenüber 1985. Die mittlere Betriebsgröße variiert regional stark, bedingt durch Unterschiede im Erbrecht, in der Topographie und Geschichte. So liegt sie im Süden und Südwesten zwischen 13 und 18 ha, im Nordwesten zwischen 20 und 40 ha und in den neuen Bundesländern zwischen 190 und 360 ha. Im unteren Bereich gibt es zwischen Ost und West kaum Unterschiede. Generell wirtschaften rd. 45 % der Agrarbetriebe mit einer Flächenausstattung unter 10 ha LF. Hingegen gibt es in der Größenklasse über 100 ha LF im früheren Bundesgebiet rd. 9.800 Betriebe, die insgesamt jedoch nur über 12,5 % der LF verfügen. In den neuen Ländern dagegen werden über 90 % der LF von den rd. 6.500 Betrieben dieser Größenklasse genutzt.
Während sich in den alten Bundesländern ein stabiler Trend zur allmählichen Vergrößerung der Betriebseinheiten durchsetzt (1949: 8,1 ha; 1970 11,7 ha; 1990: 18,7 ha; 1995: 22,3 ha), nimmt die Durchschnittsgröße je Betrieb in den neuen Bundesländern noch von Jahr zu Jahr ab (1989: 2.000, 1991: 284,5 ha; 1993: 208,7 ha; 1995: 182,1 ha).
2018 erreichte die durchschnittliche Flächenausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe in Gesamtdeutschland 62,4 ha LF.

Quelle: Destatis (1.9.2019)
Die Bestimmung einer optimalen Betriebsgröße für Mitteleuropa ist angesichts der Vielgestaltigkeit des Agrarraums und in Ermangelung eines eindeutigen ökonomischen und ökologischen Optimums zumindest bislang nicht möglich. Noch weniger macht sie Sinn in einem globalen Bezug. Ein Optimum ist nur dann zu definieren, wenn man eine Zielhierarchie unter bestimmten Bedingungen und für einen bestimmten Raum vorgibt. So ist die Aussagekraft einer universellen Betriebsgrößen-Klassifizierung in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt:
- Die Bedeutung der Betriebsgrößenklassen unterliegt zeitlichen Veränderungen. Angesichts der zunehmenden Konzentration der Betriebe und der damit zusammenhängenden Zunahme der durchschnittlichen Betriebsgröße in Deutschland können beispielsweise Betriebe mit knapp über 20 ha - wie vor wenigen Jahrzehnten noch üblich - heute nicht mehr als Großbetriebe angesehen werden. (Wachstumsschwelle)
- Die wirtschaftliche Bedeutung von Betrieben gleicher Größe ist sehr unterschiedlich, je nach Ertragsfähigkeit, Produktionsziel und Intensität. Ein Betrieb mit wenigen Hektar Sonderkulturen und hoher Intensität kann einen höheren Gewinn erwirtschaften als ein Weidebetrieb mit 100 ha Fläche. Ebenso lockert die Veredlungswirtschaft mit Futtermittelimporten die Abhängigkeit von der Fläche.
- Gleiche Betriebsgrößen erlangen regional verschiedenes Gewicht, auch wenn das gleiche Produktionsziel vorliegt. So gilt ein Getreideanbaubetrieb mit 50 ha in SW-Deutschland als mittleres, in den USA als kleines Unternehmen.
In den Ländern der EU schwankt die durchschnittliche Betriebsgröße zwischen 4 ha in Griechenland und 64 ha in Großbritannien. Zieht man den Kuhbesatz als Kriterium heran, so reicht die Spannbreite von 4 Kühen je Betrieb in Griechenland über 200 Kühe in den neuen Bundesländern zu 865 Kühen im Vereinigten Königreich.
In den USA wird eine Betriebsgrößenklassifizierung nicht nach der Flächenausstattung sondern nach dem Verkaufserlös (annual sales) für Agrarprodukte vorgenommen. Die wesentlich früher und in stärkerem Maße einsetzende Marktorientierung der amerikanischen Farmer und die bessere Vergleichbarkeit der Daten legte eine solche Klassifizierung nahe.

Quelle: Windhorst, 1987
Mega-Farmen
Außerhalb der für unsere mitteleuropäischen Maßstäbe fassbaren Dimensionen liegen die seit einigen Jahren aufgekommenen Mega-Farmen. Bei diesen Farmen handelt es sich meist um größere Einzelfarmen, die aber unter einem gemeinsamen Dach operieren. Die Zeitschrift agrarheute (2020) listet einige der größten Farmkomplexe und ihre Besitzer auf:
- Consolidated Pastoral Company ( Australien und Indonesien)
Die Consolidated Pastoral Company (CPC) umfasst 16 Rinderfarmen mit fast 400.000 Tieren. Sie bewirtschafte nach eigenen Angaben 5,5 Millionen Hektar Land und liegt im Norden von Australien. Zum Rinderzucht-Unternehmen gehört außerdem eine Mehrheitsbeteiligung an zwei Rindermaststationen in Indonesien. Den Wert von CPC schätzen Marktanalysten auf rund 630 Millionen Euro. - John Malone (USA)
Der Medien-Mogul und Milliardär John Malone gilt als der größte Landbesitzer der USA. Mit einer Gesamtfläche von 930.000 Hektar gehören ihm durchaus beträchtliche Areale. Die Hälfte davon ist Waldland in Maine und New Hamsphire, doch er besitzt Betriebe im ganzen Land. Die größte dieser Farmen liegt in New Mexiko. - El Tejar (Brasilien)
2011 galt El Tejar als die weltgrößte kulturfähige Agrargesellschaft mit etwa 1 Million Hektar, auf denen Sojabohnen, Mais und Baumwolle angebaut wurden. Das Land lag auf Argentinien, Brasilien und Uruguay verteilt. Auch 30.000 Hektar in Bolivien gehören zu El Tejar.
Viele dieser Flächen waren allerdings "nur" gepachtet. Seit 2012 hat das Unternehmen seine Tätigkeiten aus Argentinien verlagert, einen neuen Hauptsitz in Brasilien errichtet und die bewirtschafteten Flächen massiv verringert, um effizienter sein zu können. - Mudanjiang (VR China)
Der Milchviehbetrieb im Nordosten Chinas befindet sich noch im Bau, soll am Ende aber 100.000 Milchkühe versorgen. Er wird damit zum größten Milchviehbetrieb der Welt. Die Kosten für das Projekt mit Namen "Chinesisch-Russischer Exemplarischer Park in der Landwirtschaft" betragen etwa 137 Millionen Euro. Das Futter für die Tiere soll auf etwa 100.000 Hektar Land in China sowie Russland angebaut werden. Sollte das Ganze nach der ersten Phase 2015 bis 2018 ein Erfolg sein, so plane man weitere 200.000 Hektar russisches Land zu pachten. - Anna Creek Station (Australien)
Unter den größten Betrieben befindet sich auch die gigantische Farm Anna Creek Station in Australien, über die agrarheute bereits berichtete. 2016 wurde das Unternehmen für 254 Millionen Euro verkauft. Für diese Summe erhielten die asiatischen Käufer aber nicht die kompletten elf Millionen Hektar, die ursprünglich zum Agrarbetrieb 'S. Kidman & Co Ltd.' gehörten.
Der ursprüngliche Betrieb umfasste 2,6 Prozent des gesamten australischen Agrarareals und war größer als ganz Israel oder Irland. 185.000 Rinder wurden dort auf 2,4 Millionen Hektar versorgt. - Prodimex (Russland)
Auf 570.000 Hektar bewirtschaftet Prodimex den größten Agrarbetrieb Russlands. Das Unternehmen befindet sich in Privatbesitz und der Schwerpunkt liegt auf der Zuckerproduktion. Der Betrieb besitzt eigene Produktionsanlagen zur Verarbeitung der Zuckerrüben. Insgesamt erzeugt Prodimex über 20 Prozent des gesamten in Russland produzierten Zuckers. - Al Safi Dairy (Saudi Arabien)
1998 schaffte es Al Safi Dairy als der größte vollstufige Milchviehbetrieb der Welt ins Guinness Buch der Rekorde. Das Unternehmen war 1979 durch Prinz Mohammed Bin Abdullah Al Faisal gegründet worden und umfasst 37.000 Holstein-Rinder, die 700.000 Liter Milch pro Tag produzieren. 1.400 Mitarbeiter sind an sieben vollautomatischen Melkständen beschäftigt.
2011 ging Al Safi ein Joint Venture mit dem französischen Lebensmittelkonzern Danone ein. Diese Partnerschaft sicherte dem Unternehmen einen Anteil von 36 Prozent am saudi-arabischen Milchmarkt. Der Betrieb übernimmt alle Prozesse selbst, vom Futteranbau bis hin zur Verarbeitung des Endproduktes.
- Ivolga (Russland und Kasachstan)
Ivolga ist ein Agrarkonglomerat, das 2011 auf den Markt kam und mit 1.5 Millionen Hektar Land in Russland und Kasachstan als der damals größte landwirtschaftliche Betrieb der Welt galt. Es ist nicht ganz klar, ob es seitdem verkauft wurde.
Allerdings bewirtschaftet das Unternehmen Berichten zufolge immer noch mindestens 500.000 Hektar Land in Russland. Dies macht es zum zweitgrößten Landbesitzer des Landes hinter Prodimex.
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